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pehrenberger

Ein normaler Tag eines Biohackers

Einblicke in das perfekte Leben eines Humanimal!


Jeden Tag stehe ich um 5 Uhr auf. Zuerst gehe ich Sonne tanken, denn wir wissen ja, dass die Morgensonne extrem wichtig für einen guten Schlaf ist. Im Winter habe ich eine Tageslichtlampe mit 10.000 Lux, vor die ich mich setzen kann. Als zwanghafter Optimierer muss man schließlich schon am Morgen anfangen, seinen Abend zu perfektionieren.


Dann folgt eine Runde Atemübungen im noch feuchten Gras. Wegen der Erdung und so. Weiter geht der Tag mit einer Achtsamkeitsübung und anschließender Danksagung an das Universum. Schließlich zeigen Studien, dass das einen massiven Einfluss auf unser Hormonsystem hat, und wer möchte nicht schon am Morgen mehr Oxytocin produzieren?


Um diese Morgenroutine noch abzurunden, nehme ich mir dreißig Minuten Zeit, um in meinem Journal die Reflexionen des letzten Tages durchzulesen und mir Ziele für den heutigen Tag zu formulieren.


Dann wird trainiert. Nüchtern versteht sich, denn wir müssen ja die Autophagie bis zum Maximum ankurbeln. Außerdem gilt: zuerst jagen, dann essen.


Zu guter Letzt noch eine kalte Dusche. Wie könnte ein selbst ernannter Biohacker denn ohne Wim Hof überleben?


Das alles mache ich, bevor die Meisten überhaupt aufstehen. Das macht mich selbstverständlich zu einem besseren Menschen, was ich auch auf allen sozialen Medien kundtun muss.


Im Laufe des Tages


Im weiteren Tagesverlauf sind stündliche Bewegungspausen geplant. Einmal pro Stunde wird intensiv bewegt. Das senkt nämlich das Krebsrisiko und ist generell gut für alles. Wichtig ist es, dies genau alle 60 Minuten zu tun und einen Puls von exakt 120 zu erreichen, sonst war alles sinnlos.


Meine exakte Fastenzeit von 16 Stunden breche ich nur mit den wertvollsten Zutaten, die ich finden kann. Getreide, Zucker und Industrienahrung dürfen sich nicht einmal im selben Raum mit mir aufhalten, denn wenn man diese Lebensmittel nur anschaut, bekommt man schon ein Leaky Gut. Einmal im Monat faste ich 72 Stunden, denn es wurde in Studien gezeigt, dass Mäuse dadurch bis zu drei Minuten länger leben! Schließlich will ich ja länger leben als Dave Asprey und jünger aussehen als Bryan Johnson (nicht der Typ von AC/DC, sondern der real-life Benjamin Button).


Zwischen meiner Arbeit, in der ich anderen Leuten erzähle, wie sie so unglaublich werden können wie ich, habe ich ausreichend Raum für weitere Selbstoptimierung.


Mittagspause


Für die Mittagspause sind 40 Minuten Non-Sleep Deep Rest in einem zu 100 % mit CO2 gefüllten Anzug eingeplant, gefolgt von 20 Minuten Nahrotlicht für den ganzen Körper. Meine Mitochondrien dürfen schließlich auch nicht zu kurz kommen.


Zwischendurch nehme ich noch perfekt auf mich abgestimmte Nahrungsergänzungsmittel ein, die natürlich sehr teuer sind. Aber hey, Qualität hat ihren Preis. Außerdem verdiene ich genug, weil ich meinen Kunden diese Mittel mit Gewinn weiterverkaufe und in fünf Schneeballsystemen bereits genug Leute unter mir habe.


Nachmittag und Abend


Am Nachmittag sind mindestens drei Stunden der Fortbildung und einem weiteren Training gewidmet. Das geht ja auch gleichzeitig – warum gibt es denn Podcasts und Hörbücher? Nachdem ich dann wieder den zweihundertsten Podcast von Andrew Huberman im Ohr hatte, bin ich wieder vollgeladen mit Informationen, die ich irgendwem erzählen muss. Ob er oder sie das will, ist mir dabei vollkommen egal. Ich weiß schließlich besser, was gut für andere ist.


Am Abend sitze ich dann noch in meiner Infrarotkammer, denn Hitzereize sind so wichtig für unser Immunsystem. Danach nehme ich mir wie gewohnt Zeit für mein Journal, und ja, ich könnte auch Tagebuch sagen, aber das wäre nicht hipster genug. Ich muss schließlich meinen Tag reflektieren, und außerdem ist ausnahmslos jeder meiner Gedanken so wertvoll, dass man ihn für die Nachwelt erhalten muss.


Natürlich kommt meine Familie auch nicht zu kurz. Ich bin ja nebenbei bemerkt auch noch ein fehlerloser Vorzeigevater und drille meine Tochter auch schon zum Biohacking. Welche Vierjährige verlangt sonst nach Lactoferrin und Sternanis, wenn sie krank ist, und fordert jeden Tag ihre Dosis Omega-3 ein? Als Nachspeise kennt sie übrigens nur Kollagenpulver mit selbst gemachtem Joghurt aus Milch von der Kuh, die im eigenen Garten steht. Wenn du dich fragst, wie sich das alles ausgehen soll, das ist alles nur eine Frage des Zeitmanagements. Wenn du diesen Tagesplan nicht schaffst, dann planst du nur schlecht.

Wenn du dich fragst wie ich diesen Artikel gerade schreibe, dann lautet die Antwort

selbstredend: "An meinem Stehschreibtisch während ich auf meinem Bürolaufband gehe".


Vielleicht sieht die Wahrheit ein bisschen anders aus!



So oder so ähnlich stellen sich gern BiohackerInnen, OptimierterInnen oder andere Menschen aus dem Gesundheits- oder Coachingbereich dar. Mit diesem komplett verzerrten Bild glauben dann viele, dass das alles notwendig ist, um gesund zu sein. Die Wahrheit sieht ganz anders aus. Natürlich muss ich in unserer Welt etwas tun, um gesund zu bleiben, doch da gibt es andere Wege.


Ich bekomme täglich Nachrichten von FreundenInnen, Familie, SportlernInnen, Bekannten und PatientenInnen mit Fragen, was sie bei diesem oder jenem Problem tun sollen oder welches Nahrungsergänzungsmittel sie jetzt nehmen sollen. Und es ist doch klar, dass alle Tipps, die ich weitergebe, auch jeden Tag so umgesetzt werden. Richtig? Nein, absolut nicht.


Ja, ich mache viel von dem, was ich oben, hoffentlich humoristisch verpackt, geschrieben habe. Aber nein, mein Tag sieht nicht so aus und ich hoffe sehr, deiner auch nicht. Es gibt Phasen in meinem Leben, in denen ich mich mehr auf meine Gesundheit konzentriere, und dann darf es auch mal einfach Spaß machen, weil das genauso zum Leben dazugehört.


Es kommt immer wieder vor, dass Freunde fragen, ob wir auf 1-2 Bier gehen. Ich weise dann immer freundlich darauf hin, dass man „12“ ohne Bindestrich schreibt. Wenn ich dann in ein Restaurant gehe, bestelle ich sicher nicht den Salat und bringe mein eigenes Dressing mit. Ich bestelle den doppelten Cheeseburger mit extra Bacon und trinke dazu, was ich will und so viel ich davon will.


Ich laufe dann auch nicht am Abend mit meiner Bluelight-Blocker-Brille herum oder achte darauf, vor 12 im Bett zu sein. Manchmal darf man sich auch einfach was gönnen und seine Bedürfnisse sofort befriedigen. Das nennt man dann Hedonismus, um noch mal ein kluges Wort mit einzubauen. Und das ist mindestens genauso wichtig wie all die Biohacks, die es da draußen gibt.


Wenn ich dann irgendwann nach Hause komme, nehme ich noch einen großen Löffel Aminosäuren, Omega-3, ein Multivitamin und Elektrolyte, weil das den nächsten Tag doch deutlich erträglicher macht. Ich tape mir auch den Mund zu in der Nacht, aber das ist mittlerweile wie Zähneputzen, da denke ich nicht mehr drüber nach.


Es darf auch mal Abende ohne Ausgehen geben, an denen Netflix und Co. die Herrschaft über das Wohnzimmer übernehmen. Zugegeben, da trage ich fast immer meine Bluelight-Blocker-Brille.


Liebevolles Optimieren



In unseren Seminaren bei Humanimal geht es darum, Biohacking nicht als militante, strikte Lebensphilosophie um jeden Preis zu sehen. Bei uns geht es darum, liebevoll zu optimieren. Wir leben in einer Welt, die nicht für unsere Gene gemacht ist, und um diese bestmöglich zu überleben, gibt es ein paar Dinge, die wir tun können.


Die sogenannten Biohacks sind auch nichts anderes als Praktiken, die wir immer schon gemacht haben. Eisbaden wurde nicht von Wim Hof erfunden. Vielleicht mussten wir auch im Winter mal in Flüsse hinein, um einen Fisch zu fangen, und darauf muss ich mich auch nicht ewig mental vorbereiten. Ich muss auch keine Atemübungen machen oder mir einen zertifizierten Trainer oder Trainerin an die Seite holen. Einfach mal rein ins kalte Wasser und schau, was passiert. Wenn du nach 10 Sekunden wieder draußen bist, freue dich darüber, dass du deine Grenzen respektiert hast. Wenn du 10 Minuten drinnen bleibst, weil du der härteste Hund, die härteste Hündin unter der Sonne bist, okay, cool, solange du es für dich tust und nicht, um jemanden zu beeindrucken.


Sollten wir uns bewegen und trainieren? Ja, unbedingt, aber auch das ist nichts Neues. Das machen wir nicht erst seit "Fit mit Philipp". Wir waren früher immer in Bewegung, oder glaubst du, das Hendl, das Gemüse, das was auch immer ist einfach bei dir in die Höhle gestolpert und hat sich vor dir ergeben, damit du es isst? Wir mussten für unser Essen hart arbeiten und hatten auch öfter mal nichts. Also macht es auch aus dem Grund Sinn, nicht ständig zu essen. Heißt das, du musst dich militant an 16/8 halten? Nein. Es ist auch mal okay, öfter zu essen, nur halt nicht immer.


Was wir versuchen, unseren Teilnehmern und Teilnehmerinnen in unseren Seminaren beizubringen, ist ein spielerischer Umgang mit diesen Reizen. Wir müssen nicht jeden Tag alles richtig machen, um gesund zu bleiben oder zu werden. Nur wenn ich immer in meiner Komfortzone bleibe, mich nie herausfordere und zu gemütlich werde, haben Krankheiten ein leichtes Spiel. Wenn ich allerdings weiß, wie ich welche Reize wann miteinander kombinieren kann und diese auch angemessen einsetze, ist es schon deutlich schwerer, chronisch krank zu werden oder es zu bleiben!


In diesem Sinne


Geh mal raus aus deiner Komfortzone und zieh dich wieder in sie zurück, wenn du es brauchst. Halte mal den kleinen Zeh ins kalte Wasser oder mach einen Bauchfleck hinein. Iss mal nichts und bewege dich nüchtern, dann geh mal frühstücken mit Freunden. Lebe dein Leben, ohne dabei zu gemütlich zu werden!


-Patrick Ehrenberger Juni 2024-


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