Neuroathletik: Warum unser Gehirn der Schlüssel zu besserer Bewegung ist – Ein Gespräch mit Sebastian Rieder
- pehrenberger
- 9. Apr.
- 4 Min. Lesezeit

In einer der letzen Humanimal Talks Podcast-Folge haben wir mit Sebastian Rieder über ein Thema gesprochen, das gerade im Sport und in der Therapie für Furore sorgt: Neuroathletik. Sebastian, der selbst CrossFit-Boxen in Wien betreibt und Neuroathletik-Trainer ist, gab uns spannende Einblicke in die Welt des neurozentrierten Trainings – einem Ansatz, bei dem das Gehirn im Mittelpunkt steht. In diesem Blogbeitrag erfahrt ihr, was Neuroathletik ist, wie Sebastian sie in seiner Arbeit einsetzt und warum dieser Ansatz Training und Therapie revolutioniert.
Was ist Neuroathletik?
Neuroathletik-Training basiert auf der Erkenntnis, dass unser Gehirn sämtliche Bewegungen steuert. Während klassisches Training oft an Muskeln, Gelenken oder der Biomechanik ansetzt, geht Neuroathletik einen Schritt weiter: Es betrachtet die „Software“ – also das Nervensystem – als entscheidenden Faktor. Wenn das Gehirn nicht die richtigen Informationen erhält, entstehen Bewegungsprobleme, Schmerzen oder Leistungseinbußen.
Im Podcast erklärte Sebastian, dass er durch seine Arbeit mit Sportlern immer wieder an Grenzen stieß. „Ich dachte, ich bin ein guter Trainer, aber es gab Fälle, bei denen ich einfach nicht weiterkam“, erzählte er. Erst als er sich mit Neuroathletik beschäftigte, erkannte er, dass das Problem oft nicht beim Muskel, sondern bei der Informationsverarbeitung im Gehirn lag. „Das war ein totaler Paradigmenwechsel für mich.“
Vom Kampfsport zur Neuroathletik: Sebastians Weg
Sebastian Rieder kommt aus dem Kampfsport, hat Mathematik und Physik mit Schwerpunkt Biomathematik studiert und betreibt drei CrossFit-Boxen in Wien. Sein Weg zur Neuroathletik begann, als er merkte, dass er bei manchen Kunden mit herkömmlichen Methoden nicht weiterkam. „Es gab Fälle, die mich vor Rätsel gestellt haben – zum Beispiel ein HNO-Arzt mit extremem Blutdruck bei minimaler Belastung oder Sportler, die trotz Training keine Fortschritte machten“, erinnerte er sich im Podcast.
Erst durch den neurozentrierten Ansatz fand er Lösungen. Heute setzt er Neuroathletik gezielt ein, um Bewegungsqualität zu verbessern und Verletzungen vorzubeugen. Besonders beeindruckend: Sebastian arbeitete sogar kurz vor der WM mit vier Spielern des österreichischen Nationalteams – und setzte dabei voll auf Neuroathletik.
Wie Neuroathletik funktioniert
Im Gespräch erklärte Sebastian, dass Neuroathletik drei große Säulen hat:
Visuelles System: Die Augen liefern den Großteil der Informationen an unser Gehirn. Wenn ein Athlet Probleme hat, schnelle Bewegungen zu verfolgen, leidet seine gesamte Leistung. „Ich habe erlebt, wie durch einfaches Augentraining sofortige Verbesserungen erzielt wurden“, so Sebastian.
Vestibuläres System: Unser Gleichgewichtsorgan im Innenohr sorgt dafür, dass wir stabil stehen und uns sicher bewegen. „Ein junger Eishockey-Spieler fühlte sich ständig verloren auf dem Eis. Wir fanden heraus, dass ein Gleichgewichtskanal im Innenohr nicht optimal funktionierte. Nach ein paar Übungen war er wie ausgewechselt“, berichtete Sebastian im Podcast.
Propriozeption: Sensoren in Muskeln und Gelenken geben dem Gehirn Feedback über unsere Körperhaltung und Bewegung. „Ich hatte mal einen Fußballer mit extrem schwacher Rumpfmuskulatur. Anstatt ihm Planks zu verordnen, habe ich sein Mittelhirn stimuliert – und plötzlich war die Stabilität da“, so Sebastian.
Lars Lienhard und die Neuroathletik-Pioniere
Natürlich kann man über Neuroathletik nicht sprechen, ohne Lars Lienhard zu erwähnen. Lienhard, ein Pionier in diesem Bereich, hat mit seinem Buch „Training beginnt im Gehirn“ und seiner Arbeit mit Spitzensportlern, darunter die deutsche Fußball-Nationalmannschaft 2014, den Grundstein gelegt. Auch Sebastian ließ sich unter anderem von Lienhards Ansatz inspirieren: „Der Lars hat einen extrem praxisorientierten Zugang, was mir total gefällt. Man geht aus seinen Seminaren raus und kann sofort loslegen.“
Doch Sebastian betont, dass Neuroathletik kein starres System ist: „Ich habe meinen eigenen Weg gefunden und probiere viel aus. Manchmal mache ich etwas intuitiv, ohne genau zu wissen, warum – und es funktioniert. Danach lese ich nach, warum das so war.“
Dr. Eric Cobb – Pionier der neurowissenschaftlichen Bewegungsoptimierung
Ein weiterer bedeutender Vorreiter in der Welt der Neuroathletik ist Dr. Eric Cobb. Als Chiropraktiker mit einem Abschluss in Humanbiologie hat er umfassende Studien in Neurologie, Neurophysiologie, Schmerzmanagement, Ernährung, funktioneller Medizin, Kinesiologie und fortgeschrittenen Weichteiltechniken absolviert. In den frühen 2000er-Jahren entwickelte er das Z-Health Performance Education System, das neurowissenschaftliche Erkenntnisse in klassisches Athletiktraining integriert. Dr. Cobbs Ansatz stellt das Nervensystem in den Mittelpunkt und revolutioniert so das Verständnis von Bewegung und Leistungsfähigkeit. Durch seine wegweisenden Pionierarbeiten hat er Trainer und Therapeuten weltweit inspiriert, ihre Methoden zu überdenken und neu zu gestalten – ein entscheidender Schritt, der den Weg für moderne neurozentrierte Trainingskonzepte ebnete.
Warum Neuroathletik ein Game-Changer ist
Sebastian brachte es im Podcast auf den Punkt: „Früher habe ich biomechanisch gearbeitet – Kniebeuge muss so und so aussehen. Aber warum macht jemand eine Bewegung nicht optimal? Vielleicht, weil das Gehirn falsche oder unvollständige Informationen bekommt. Mit Neuroathletik ändere ich die Software, nicht nur die Hardware.“
Einer seiner besten Aha-Momente? „Ich habe mal eine Klientin mit alten Sprunggelenksverletzungen behandelt. Nach einer kurzen sensorischen Stimulation war ihre Hüftmuskulatur plötzlich viel stärker. Das war für mich mind-blowing.“
Neuroathletik im Alltag: Einfache Tipps zum Ausprobieren
Sebastian hat im Podcast einen einfachen Neuro-Drill verraten, den jeder sofort ausprobieren kann: Reibt vor dem Training euren gesamten Körper ab – von den Füßen bis zum Kopf. Diese einfache Übung aktiviert die sensorischen Rezeptoren in der Haut und sorgt für ein besseres Körpergefühl. „Das dauert zwei Minuten und macht einen Riesenunterschied“, verspricht Sebastian.
Neuroathletik lernen: Kurse und Workshops
Für alle, die tiefer in die Neuroathletik eintauchen wollen, bietet Sebastian ab Juni in Wien Neuroathletik-Trainer-Ausbildungen an. „Unser Fundamentals-Workshop am 24./25. Mai gibt einen Überblick, und am 13. Juni starten wir mit den fünf Modulen der Neuroathletik-Trainer-Ausbildung“, verriet er im Podcast. Infos gibt’s auf der Homepage des Neuroathletik Training Instituts.
Fazit: Neuroathletik ist die Zukunft des Trainings
Unser Gespräch mit Sebastian Rieder hat eines klar gemacht: Neuroathletik ist kein kurzfristiger Trend, sondern ein fundamentaler Wandel im Training und in der Therapie. Egal ob im Spitzensport, in der Physiotherapie oder im Alltag – wer die „Software“ im Gehirn optimiert, kann Bewegungsqualität, Leistungsfähigkeit und sogar Heilungsprozesse enorm verbessern.
Sebastian bringt es im Podcast perfekt auf den Punkt: „Wir sind keine Maschinen, sondern ein integriertes System. Neuroathletik gibt uns Werkzeuge an die Hand, um dieses System effizienter und gesünder zu machen.“
Hört euch unbedingt die gesamte Podcast Folge an, um noch mehr spannende Insights von Sebastian zu bekommen. Und wenn euch der Artikel gefallen hat, teilt ihn, lasst uns euer Feedback da und bleibt mit uns in Bewegung!
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